Der jagdliche Einsatz von Nachtsichttechnik in Nordrhein-Westfalen
von RA Georg H. Amian, Aachen
Die unterschiedliche Handhabung des Einsatzes von Nachtsichttechnik zu jagdlichen Zwecken in den einzelnen Bundesländern hat zu erheblicher Verwirrung geführt. Zu Recht ist die Jägerschaft verunsichert, was die Möglichkeiten des Einsatzes von Nachtsichttechnik betrifft, zumal ein nicht rechtskonformer Einsatz zur Unzuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG und damit zum Verlust der waffenrechtlichen Erlaubnis sowie des Jagdscheins führen kann; §§ 17, 18 BJagdG.
Welche Möglichkeiten hat nun der Jäger in Nordrhein-Westfalen?
Zunächst müssen wir uns noch einmal in Erinnerung rufen, welche Arten von Nachtsichttechnik das Waffengesetz kennt. Hier unterscheiden wir Zielscheinwerfer, Laser-und Zielpunktprojektoren, Nachtsichtgeräte und Nachtzielgeräte.
Zielscheinwerfer sind für Schusswaffen bestimmte Vorrichtungen, die das Ziel beleuchten. Ein Ziel wird dann beleuchtet, wenn es mittels Lichtstrahlen bei ungünstigen Lichtverhältnissen oder Dunkelheit für den Schützen erkennbar dargestellt wird. Dabei ist es unerheblich, ob das Licht sichtbar oder unsichtbar (z. B. infrarot) ist und ob der Schütze weitere Hilfsmittel für die Zielerkennung benötigt (Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1, Nr. 4.1 WaffG). Hierzu zählen bspw. Taschenlampen, Scheinwerfer und Infratrotaufheller, sofern sie mit der Waffe oder der Zielvorrichtung verbunden werden.
Laser- oder Zielpunktprojektoren sind für Schusswaffen bestimmte Vorrichtungen, die das Ziel markieren. Ein Ziel wird markiert, wenn auf diesem für den Schützen erkennbar ein Zielpunkt projiziert wird (Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1, Nr. 4.2 WaffG). Solche Laser- oder Zielpunktprojektoren sind jagdlich uninteressant; deswegen soll hier nicht näher darauf eingegangen werden.
Nachtsichtgeräte oder Nachtzielgeräte sind für Schusswaffen bestimmte Vorrichtungen, die eine elektronische Verstärkung oder einen Bildwandler und eine Montageeinrichtung für Schusswaffen besitzen. Zu Nachtzielgeräten zählen auch Nachtsichtvorsätze und Nachtsichtaufsätze für Zielhilfsmittel (Zielfernrohre) (Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1, Nr. 4.2 WaffG). Hierzu zählen neben Röhrenverstärkern und digitalen Nachtsichtgeräten auch Wärmebildkameras.
Festzuhalten ist, dass der Einsatz von Nachtsichttechnik gem. § 2 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nummer 1.2.4.2 WaffG grundsätzlich verboten ist. Der 2020 eingeführte § 40 Abs. 3 S. 4 WaffG eröffnet jedoch für Jäger die Ausnahme, Nachtsichttechnik einzusetzen, sofern dies jagdrechtlich zulässig ist. Entscheidend ist also, ob das Jagdrecht eine solche Ausnahme in Nordrhein-Westfalen vorsieht.
Auch das Jagdrecht verbietet in § 19 Abs. 1 Nr. 5 a) BJagdG grundsätzlich, „Vorrichtungen zum Anstrahlen oder Beleuchten des Zieles, Nachtzielgeräte, die einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen und für Schußwaffen bestimmt sind“ zu verwenden. § 19 Abs. 2 Satz 1 BJagdG ermöglicht den Ländern jedoch, die entsprechenden Verbote in Abs. 1 zu erweitern oder auch einzuschränken und so entsprechende Ausnahmen zuzulassen.
Schaut man in das Landesjagdgesetzes NRW sowie die Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz NRW, so wird man dort nichts Erhellendes zum Thema Nachtsichttechnik finden.
Versteckt hat sich die Möglichkeit zur Verwendung von Nachtsichttechnik vielmehr in einer Verordnung, die vielen gar nicht geläufig ist, nämlich in § 2 der Verordnung über die Anwendung besonderer jagdlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP), kurz: ASP-Jagdverordnung Nordrhein-Westfalen (ASP-JVO NRW) in der Fassung vom 30.1.2021 (GV. NRW. 2020 S. 183). Hiernach ist die Verwendung von künstlichen Lichtquellen sowie von Nachtsichtaufsätzen und Nachtsichtvorsätzen (Dual-Use-Geräte) für Zielfernrohre, die eine elektronische Verstärkung besitzen, in bestimmtem Umfang zulässig. Doch wer jetzt meint, es hieße nun auch bei Nacht unbegrenzt „Feuer frei“, der hat sich gewaltig geirrt, denn die Ausnahmen, die die ASP-Jagdverordnung zulässt, schränkt das Spektrum an verwendbarer Technik und jagdbarem Wild erheblich ein.
Das erste Problem was sich stellt, ist das waffenrechtlich normierte Verbot der Verwendung von Zielscheinwerfern. Diese Zielscheinwerfer sind nicht von der Ausnahmevorschrift § 40 Abs. 3 S. 4 WaffG umfasst und bleiben daher verboten. Hieran ändert auch eine jagdrechtliche Erlaubnis nichts; das Waffenrecht hat insoweit Vorrang. Zwar ermöglicht § 2 der ASP-JVO NRW den Einsatz von künstlichen Lichtquellen; das Waffengesetz verbietet jedoch dem Jäger, diese künstlichen Lichtquellen mit der Waffe oder die Zielvorrichtung zu verbinden, da in diesem Falle aus der künstlichen Lichtquelle ein verbotener Zielscheinwerfer (s.o.) wird. In dem Moment, in dem ich meine Taschenlampe mit der Waffe oder dem Zielfernrohr verbinde, erhalte ich einen verbotenen Gegenstand im Sinne des § 2 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nummer 1.2.4.1 WaffG.
Was aus Gründen der Waidgerechtigkeit und praktischen Anwendung einer künstlichen Lichtquelle daher durchaus Sinn machen würde, wird hier durch den bisher nicht erfolgten Abgleich zwischen Waffenrecht und Jagdrecht konterkariert. Zwar hat der Gesetzgeber mit der beabsichtigten Reform des Bundesjagdgesetzes (Referentenentwurf d. BMEL eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und des Bundesnaturschutzgesetzes v. 13.07.2020) einen ersten Anlauf gemacht, der bekanntlich jedoch in der letzten Legislaturperiode – hauptsächlich wegen des sogenannten „Wald-Wild-Konflikts“- nicht mehr zum Tragen kam und derzeit auf Eis liegt.
In dem neuerdings stark diskutierten Referentenentwurf (Referentenentwurf des BMI v. 09.01.2023) einer weiteren Reform des Waffengesetzes war erneut eine Harmonisierung zwischen Waffenrecht und Jagdrecht geplant; wie aus politischen Kreisen zu vernehmen ist, soll jedoch zunächst keine weitere Reform des Waffenrechts stattfinden; vielmehr ist eine Evaluierung des bisherigen Waffenrechts geplant – wie auch immer diese aussehen mag. Wir Jäger werden daher weiter mit dieser unsinnigen und widersprüchlichen Situation leben müssen. Wichtig zu wissen ist, dass aufgrund dieser Diskrepanz auch solche Nachtsichtgeräte ausscheiden, die über einen fest ein- oder angebauten Infrarotaufheller verfügen, da die Verbindung mit der Waffe oder der Zielvorrichtung waffenrechtlich verboten ist.
Verboten bleiben auch weiterhin Nachtzielgeräte – also Nachtsichtgeräte, die über ein eigenes Ab-sehen verfügen oder nachtsichttaugliche Zielfernrohre. Solche Nachtzielgeräte unterliegen sowohl dem waffenrechtlichen, wie auch dem jagdrechtlichen Verbot sind unter keinem Aspekt erlaubt.
Verboten ist auch der Einsatz von Wärmebildvor- und aufsätzen oder Geräte mit elektronischem Bildwandler. Die Begründung des Ministeriums hierfür ist, dass Wärmebildgeräte und Geräte mit Bildwandlern kein reales Bild abgeben. Zudem bestünde bei der Verwendung von Wärmebildgeräten eine erhöhte Gefahr der Geschossablenkung durch nicht erkennbare Hindernisse mit geringerer Wärmeabstrahlung im Schussfeld oder wegen eines nicht klar bestimmbaren Kugelfangs im Hintergelände. Diese Geräte würden sich zwar hervorragend für die Lokalisierung und Identifizierung von Wild, aber nicht für die Schussabgabe in einem dichtbesiedelten Raum eignen (Landtag NRW, Vorlage 17/4580).
Erlaubt sind daher ausschließlich künstliche Lichtquellen, soweit diese nicht mit der Waffe oder der Zieleinrichtung verbunden sind sowie Nachtsichtgeräte in Form von Nachtsichtvorsätzen und Nachtsichtaufsätzen, die Restlicht verstärken, über keine eigene Montagevorrichtung verfügen und nur mittels eines Adapters an Zielfernrohren befestigt werden können und daher regelmäßig nicht nur die ausschließliche Funktion der Verwendung mit der Waffe haben (sog. „Dual-Use-Geräte“).
Auch, wenn § 19 Abs. 1 Nr. 4 BJagdG eine Ausnahme vom Nachtjagdverbot auf Schwarz- und Raubwild zulässt, ist der Einsatz von Nachtsichttechnik aufgrund der ASP-JVO NRW ausschließlich für die Jagd auf Schwarzwild zugelassen. Aus Sicherheitsgründen ist ferner vorgeschrieben, dass bei einer Schussabgabe unter Verwendung von Nachtsichttechnik eine maximale Distanz von 100 Me-tern nicht überschritten werden darf und grundsätzlich von einer erhöhten Ansitzeinrichtung zu schießen ist.
Zusammenfassend lässt sich für NRW also Folgendes sagen:
• § 40 Abs. 3 S. 3 WaffG schafft lediglich die waffenrechtliche Grundlage für (jagdrechtliche) Ausnahmen; entscheidend sind die Regelungen des BJagdG in Verbindung mit den landesspezifischen Vorschriften.
• Der Einsatz von Nachtsichttechnik bleibt grundsätzlich jagdrechtlich verboten; § 19 I Nr. 5 a) BJagdG; die Länder können aber Ausnahmen zulassen.
• Der Einsatz von Nachtsichtgeräten ohne Bildwandler ist zur Bejagung von Schwarzwild in NRW aufgrund § 2 ASP-JVO NRW grundsätzlich zugelassen.
• Geräte mit Bildwandlern oder Wärmebildgeräte dürfen nicht zum Schuss verwendet werden!
• Künstliche Lichtquellen (auch Infrarotaufheller) sind erlaubt, dürfen aber nicht mit der Waffe oder dem Zielfernrohr verbunden sein.
• Eine Schussabgabe darf bei Verwendung von Nachtsichttechnik nur aus einer erhöhten Position auf eine maximale Distanz von 100 Metern erfolgen.
Der Artikel erschien in „Waidmannsheil 2023/24“, dem Mitgliedermagazin der KJS Aachen e.V. im LJV NRW e.V.
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